Die Festspiele sind seit Anfang März 2020 im Lockdown, eigentlich ein Grund zum Verzweifeln. Wir haben „Corona“ als Chance für uns umgedeutet und vieles bewegt und verändert.
2020 im Überblick
Januar
Der Januar war tatsächlich die erste freie Zeit für Gedanken. Gleich nach dem erfolgreichen Abschluss der Spielzeit 2019 haben wir mit dem Umbau der Kulissen begonnen. Wir nutzen den Herbst mit viel Power, denn die Winter in Oberschwaben können schneereich bis in den April anhalten. Der Januar war eine wunderbare Zeit, die Planungen für verschiedene Umbauten, Reparaturen und die erstmals geplanten Veranstaltungen im Frühjahr zu verfeinern.
Februar
Das Verrückte am Februar war, dass wir schon befürchtet hatten, dass es mit der Sommerspielzeit aufgrund Corona schwierig werden könnte. Trotzdem wollten wir unser Team 2020 vollzählig kennenlernen und hatten ein sehr schönes, gut besuchtes Casting.
Zu unserem Team gehören auch unsere Vierbeiner, die langsam auf die Proben vorbereitet wurden.
März
Anfang März kam der Lockdown und die Theater wurden geschlossen. Zugegeben, wir brauchten ein paar Tage, um zu verstehen, was da gerade weltweit passiert.
Mit den Dingen, die man zu diesem Zeitpunkt wusste, schmiedeten wir neue Pläne – Plan B, Plan C und viele weitere. Wir waren sehr gut gerüstet und guter Dinge.
Der Kulissenumbau war fast fertig und wir wollten keine halbfertige Baustelle vorfinden, wenn die Freilichttheater im Sommer vielleicht wieder geöffnet werden. Also: in die Hände gespuckt und los gings.
Aber wie wird es finanziell weitergehen? Die Mitarbeiter waren unter Vertrag, die Tickets waren verkauft. Glücklicherweise hat die Politik mehrere Maßnahmen auf den Weg gebracht, die uns das „Überleben“ sicherten.
Mit unserer Hausbank führten wir sehr früh Gespräche, wie sich der Ausfall einer ganzen Spielzeit bei vollen laufenden Kosten auswirken würde. Und mit welcher Kredithöhe die Geschäftsleitung ins persönliche Risiko gehen müsste.
Das fertige Ergebnis binnen weniger Wochen konnte sich sehen lassen, oder?
April
Die Nachrichten und Gerüchte über die Pandemie konnten uns nicht bremsen, wir bauten um, bauten neues.
Unsere Pferde machten Blödsinn auf dem Gelände und genossen das bunte Treiben auf der Bühne. Endlich Action – so könnte man meinen.
In der Verwaltung und in der Regie sollte es dann eigentlich rund gehen, denn rund 80 Mitarbeiter für den Sommer mussten organisiert werden:
• Festlegen der Plakatierung und Flyer-Verteilung
• Schichtpläne für den Service
• Probenpläne für die Statisten und Schauspieler
• Planung der Pyrotechnik und der Reittrainings,
• Musikauswahl für das Stück
• Gespräche mit den Lieferanten
Wir stoppten Mitte April den Vorverkauf und trafen uns mit dem gesamten Team zu einer Betriebsversammlung, um alle zu informieren. Aber was sollte die Geschäftsleitung sagen? Dass man eigentlich nichts genaues weiss? Dass alles möglich sei, aber die Chancen für einen Festspiel-Sommer recht gering.
Regisseur Michael Müller und die Chefin Claudia Huitz berichteten von den Plänen für den Herbst und Winter, falls der Sommer ausfallen muss. Eine Lesung für den Herbst, ein Weihnachtsmarkt der besonderen Art sowie Indoor-Lesungen und Charityveranstaltungen um Weihnachten. Die gesamte Betriebsfamilie stand stolz zusammen und hatte trotz der angespannten Situation viel Ehrgeiz und Kraft.
Mai
Wir erarbeiteten ein Hygiene- und Sicherheitskonzept und passten das Ticketsystem an.
Die Entwicklung der politischen Entscheidungen überholten dann doch noch unsere Bemühungen, und wir mussten noch vor Probenbeginn die Spielzeit verschieben. Das war für uns ein Schlag in die Magengrube, auch wenn man diese Entscheidung schon kommen sah.
Puh, nun mussten wir alle Tickets umbuchen, mit sehr vielen Gästen sprechen und organisieren, mit Reiseveranstaltern und Gruppenevents neues überlegen. Eine sehr turbulente Zeit.
Von Depression und Frust jedoch keine Spur. Voller Tatendrang steuerten wir den Herbst an.
Das geht natürlich nur mit einem großartigen, eingespielten Team – was zuerst ein Gedanke aus vielen Gedanken war, wurde greifbarer und am Schluss waren Konzepte oder neue Bauten realisiert worden.
Ein kleines Beispiel? Für unsere Gäste wurde der Vorplatz um eine Fotoecke bereichert
Mittlerweile überschlugen sich die Staatshilfen, allerlei finanzielle Unterstützung wurde zugesagt. Die Beantragung solcher Hilfen war zermürbend und zeitaufwendig, besonders für unsere Steuerberatung. Keiner wusste wirklich etwas, die Bedingungen für Anträge wechselten laufend und schleppend. Bei machen Hilfen kamen die Festspiele zum Zug, und das klappte anfangs sehr gut; bei manchen Hilfsprogrammen fielen wir aus dem Raster, meistens weil wir ein privates Theater sind, aber seit einigen Jahren mit kommunaler Beteiligung. Kommunale Beteiligung heisst allerdings nicht kommunale Finanzierung, so dass die Situation sehr schwierig war.
Wir sind sehr dankbar, dass es das Mittel der Kurzarbeit gibt, denn gerade den Schauspielern ist ja die gesamte wirtschaftliche Basis für ein komplettes Jahr genommen worden.
Juni
Was stellt man mit einem Gelände an, das nun ein Jahr nicht genutzt wird?
Einer unserer Pläne konnte gleich umgesetzt werden: das Festspielgelände wird künftig noch öfter vermietet – an Vereine, an Betriebe, an private Gesellschaften. Unsere Pferde wurden als Führpferde eingesetzt und viele Kinder hatten ihren Spaß, während die Eltern gefeiert haben. Wir haben kleine Shows und Spiele für alle Gelegenheiten, können sehr flexibel auf die Ideen unserer Gäste eingehen.
Sogar für Weihnachtsfeiern ist das Gelände geeignet und wir hatten zahlreiche Anfragen. Sogar Holz für Feuerschalen war bereitgestellt.
Juli
Die Mitarbeiter waren ja bereits in Kurzarbeit, nur wenige Tage im Monat wurde das Unkraut gezähmt und das Gelände in Ordnung gehalten.
Die Geschäftsleitung hat diese zwangsweise „Freizeit“, um verschiedene Freizeitparks zu besuchen und zu sehen, wie dort Hygienekonzepte umgesetzt wurden. Die Freizeitparks durften zwischenzeitlich wieder öffnen. Leider hat ein professionelles Theater wie die Festspiele einen langen Vorlauf, um eine Produktion auf die Beine zu stellen. Die Pferde wurden zwar täglich bewegt, aber nicht trainiert, die Probenzeit mit 6 Wochen hatte noch nicht begonnen. Die Vorgaben der Berufsgenossenschaft waren sehr restriktiv, so dass eine vernünftige, niveauvolle Umsetzung von „Old Surehand“ nicht möglich war. Schade.
August
Nun wurde langsam klar, dass auch unsere geplante Lesung ins Wasser fallen würde. Die Sicherheit der Gäste und der Schauspieler wäre durch ein hervorragendes Hygienekonzept gewährleistet gewesen. Doch die Anzahl der Besucher wurde auf maximal 500 Personen festgelegt, so dass die Veranstaltung unter keinen Umständen wirtschaftlich sein konnte. Abermals mussten wir eine Veranstaltung absagen.
Diesmal war der Frust dann doch etwas größer und wir mussten uns erst ein paar Tage berappeln.
Was würde wohl mit Weihnachten sein? Diese Frage wurde immer bohrender. Sollten wir Vorbereitungen treffen? Für was und für wen? Wie würden unsere Ideen umgesetzt werden? Was ist mit den Kosten, die auflaufen und dann vielleicht umsonst wären?
September
wenn man zuviel grübelt, geht’s ja auch nicht voran. „Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben“ – nach diesem Motto wurden die unzähligen Requisiten erneuert (neudeutsch heisst das „re-freshing“) und aufgeräumt.
Im Büro stand die Auswahl des neuen Kassensystems an. Vor lauter Virus darf nicht vergessen werden, dass wir im Januar die große Diskussion über die Belegausgabepflicht hatten und alle Kassen eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung benötigen. Diese Aufgabe hatten wir noch nicht erledigt und jetzt war Zeit dafür.
Oktober
Auch wenn noch nicht klar war, ob und wie wir zu Weihnachten öffnen durften, bereiteten wir alles vor, was auch im nächsten Jahr nützlich sein würde -falls ein zweiter Lockdown notwendig sein sollte.
Erstaunlich, wie unser Team noch weiter zusammen geschweisst wurde – mit viel Elan und Kreativität entwickelten wir unsere Ideen in vielen Varianten: Mit und ohne Abstände, mit und ohne Catering, mit und ohne feste Plätze und Tickets….
Die Überlegungen wurden immer detaillierter und ergaben viele neuen Gedanken – ob man Corona rückblickend auch als Chance sehen kann?
November
Anfang November hatten wir Gewissheit – 2020 war gelaufen. Keine weiteren Veranstaltungen, kein Weihnachtsmarkt. Nichts.
Wir reduzierten das Pferdetraining und verlagerten die übrigen Themen ins Homeoffice. Mittlerweile sind wir richtig fit in Sachen Online-Meetings und Videokonferenzen. Für kurze Absprachen kann jeder tatsächlich zuhause bleiben und es geht trotzdem voran. Wir werden diese neue Kommunikationsform auf jeden Fall beibehalten, wann immer es geht. Man spart jede Menge Zeit und die Anfahrtswege.
Dezember
Der Dezember war dann tatsächlich ein besinnlicher ruhiger Monat. Der Ticketverkauf, der zunächst super gestartet war, brach wieder ein. Das Telefon blieb leise.
Zeit für einen Jahresrückblick….
Was bleibt?
Wirtschaftlich
2020 war wirtschaftlich eine absolute Katastrophe. Über viele Monate hinweg waren die Einnahmen Null – 100% Verlust. In ein paar wenigen Monaten waren die Verluste „nur bei 92%“.
Die Folgen werden die Festspiele als Unternehmen und die Geschäftsführerin Claudia Huitz persönlich noch viele Jahre spüren und zu tragen haben. Der Fortbestand der Festspiele kann jedoch gesichert werden.
Menschlich
In der Krise zeigt sich der Charakter. Mit vielen Partnern, Mitarbeitern und Lieferanten sind wir enger zusammen gerückt. Neue Kooperationen entstanden. Man weiß, auf wen man sich wirklich verlassen kann und wir haben uns schätzen gelernt. Einige Wege haben sich getrennt, das bringt so eine schwierige Zeit auch mit sich.
Organisatorisch
Der 9-Monatige Lockdown gab uns Zeit, uns neu zu organisieren und neue Veranstaltungen auf den Weg zu bringen. Das hat sehr viel Freude gemacht.
Die von uns allen geforderte Flexibilität und Kreativität hat uns gezeigt, wie schnell und individuell die Festspiele reagieren können. Ideen wurden schnell angepasst und zukunftsfähig gemacht.
Und 2021?
Wir freuen uns auf einen Festspielsommer 2021 – vielleicht mit weniger Publikum, aber mit professioneller Besetzung und einem actiongeladenen Karl-May-Abenteuer für die ganze Familie.
Wenn möglich, werden wir unsere Aussengastronomie mit Ponyreiten und verschiedenen Events schon im Mai öffnen.
Ab Ende Mai starten wir in die Proben – am 3. Juli 2021 feiern wir Premiere „Old Surehand“.
Im Juni wird es einen wilden Tag der offenen Bühne geben, natürlich bei freiem Eintritt.
Im November und Dezember haben wir phantastische Veranstaltungen haben, die es so noch nicht gab. Unsere Gäste werden überrascht sein.
Termine und alles weitere veröffentlichen wir auf allen Online-Kanälen sowie in der Presse.
Bleiben Sie gesund.